Tipps für Neulinge im Lautsprecherbau
(Version vom 13.03.2003)
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Seit meine Homepage im Netz ist habe ich viele Anfragen von Leuten bekommen, die noch nie selbst Lautsprecher gebaut haben. Viele wollen gleich ihren ganz persönlichen Lautsprecher entwerfen und bitten mich um Rat.
Bei vielen Leuten ist der Grund für den Selbstbau die Vorstellung, dass man dadurch Geld sparen könnte. Dies ist jedoch nur bedingt richtig, da man dabei ja auch eine Menge Freizeit aufwenden muss. Um es ganz kurz zu machen:
Wer nicht bereit ist, eine Menge Freizeit zu investieren, für den ist der Selbstbau von Lautsprechern nichts.
Meiner Meinung nach gibt es 3 vernünftige Hauptgründe für den Selbstbau von Lautsprechern bzw. 3 verschiedene Gruppen von Interessenten:
- Der Heimwerker/Ästhet:
Trotz eines riesigen Angebots von Fertiglautsprechern ist für ihn nicht das "Richtige" dabei. Dies betrifft meistens die Größe (muss z.B. in vorhandene "Lücke" passen") , die äußere Form (keine "Kiste") oder das Aussehen (z.B. Farbe, Holzart etc.) der Lautsprecher. Dem Heimwerker/Ästheten ist die Integration des Lautsprechers in die Wohnung sehr wichtig, die Technik steht eher im Hintergrund.
Dieser Gruppe ist oft durch einen guten Bauvorschlag und ein wenig Hintergrundwissen zu helfen, damit gewünschte Modifikation nicht zu Verschlechterungen führen.
- Der Klangtüftler:
Er findet einfach nicht die Box, die "richtig" klingt, bzw. er kann sich seine Traumbox nicht leisten. Auf die äußeren Qualitäten legt er oft weniger wert sondern konzentriert sich nur auf den Klang.
Hier gilt es, eine Warnung auszusprechen: auch selbstgebaute Lautsprecher können nicht zaubern! Um den gewünschten Klang kreativ gestalten zu können bedarf es einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema, inkl. theoretischer Grundlagen, ein bisschen Messtechnik und viel Ausprobieren.
- Der Technikinteressierte:
Er will sich mit der Materie auseinandersetzen, will wissen, wie die Dinge funktionieren. Diese Gruppe ist die "dankbarste", denn sie hat die "richtige" Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Selbstbau von Lautsprechern:
- viel Zeit und Neugier
- den Wunsch, Dinge auszuprobieren und daraus zu lernen
- beschäftigt sich nicht nur mit dem Lautsprecher sondern bezieht auch die anderen Einflußfaktoren mit ein (Musikkonserven, Raumakustik etc.)
Dies ist nur eine grobe Einteilung, wobei natürlich fließende Übergänge bestehen. Obwohl jede Gruppe eine ganz spezifische Hilfestellung benötigt kann man doch allen Gruppen folgenden allgemeinen Rat geben:
- Für den Anfang empfehle ich dringend zunächst ein empfohlenes Projekt sklavisch nachzubauen. Dies kann ein Bauvorschlag eines:
Änderungen sind jeweils lediglich bei den Abmessungen des Gehäuses (max. 10% pro Dimension, wobei das Gesamtvolumen allerdings konstant bleiben sollte) und bei der verwendeten Holzart (Spanplatte statt MDF, ggf. 3mm dicker) zulässig. Wer etwas größere Abweichungen vom ursprünglichen Konzept durchführen will sollte sich z.B. mit W. J. Tenbusch's Buch Grundlagen der Lautsprecher in die Materie einlesen.
- Das verwendete Konzept sollte natürlich den Bedürfnissen angepasst sein:
- Kleine 2-Wege Regalbox mit 13er oder 17er Bassmitteltöner für moderate Lautstärken und/oder Leute mit Platzproblemen, z.B. AUDAX Kit Pro 13 Ti, Cheap Trick 192
- Kleine 2-Wege Standbox mit 17er oder 20er Bassmitteltöner mit guten Allroundeigenschaften, z.B. ALCONE Lagranche/Laplace, AUDAX Pro 17 TDS, Cheap Trick 175/Mivoc SB180, VISATON VIB 170 AL
- Größere 3-Wege-Standbox wenn's auch mal laut sein soll, z.B. MONACOR Straight oder Cheap Trick 173 (Visaton)
- Oder Konzepte mit einem Breitbandlautsprecher, die bei eingeschränkter Maximallautstärke für wenig Geld oft sehr musikalisch und räumlich klingen, z.B. Cheap Trick CT193, Hobby-HiFi Pico Lino oder das Buschhorn mit Visaton FRS8
Es sind jeweils relativ preiswerte Beispiele genannt worden, die sich sehr gut als Ausgangsbasis für Modifikationen eignen.
- Nachdem man sich für das den eigenen Wünschen und Anforderungen entsprechende Konzept entschieden hat, geht es an den Bau des Werkes. Dabei gilt es besonders beim Zusammenlöten der Frequenzweiche sehr sorgfältig vorzugehen, da bei falschem Zusammenlöten nicht nur der Verstärker den Dienst quittieren könnte (Kurzschluss) sondern auch Hoch- und Mitteltöner zerstört werden könnten, wenn sie nicht wie geplant vor tiefen Frequenzen geschützt werden. Am besten misst man zunächst bei fertig verdrahteter Box mit einem Multimeter den Widerstand an den Lautsprecherklemmen und vergewissert sich, dass kein Kurzschluss vorliegt (es sollte mindestens der Gleichstromwiderstand des Basslautsprechers gemessen werden). Dann gibt man ein leises Rauschsignal auf die Lautsprecherbox und schließt nur jeweils ein Chassis an den vorgesehenen Zweig der Frequenzweiche an und vergewissert sich, dass tatsächlich eine Begrenzung von hohen bzw. tiefen Frequenzen erfolgt. Dann baut man alles richtig zusammen und kann das erste Mal das eigene Werk akustisch begutachten.
- Nach der ersten Freude, dass die neuen Lautsprecher funktionieren kommt die Frage: hat sich die Arbeit gelohnt, klingen sie besser als die alten Lautsprecher? Auch wenn man als Selbstbauer natürlich nur allzu bereit ist anzunehmen, dass das eigene Werk besser als alles andere klingt, so quälen den kritischen Selbstbauer doch bald Zweifel, ob dieses anders klingen wirklich besser ist? Und damit fangen die Probleme erst an. Denn nun erkennt er, dass es darauf ankommt:
- welche Musikkonserve man hört (s. Beurteilungsmassstab)
- wie der Lautsprecher im Raum platziert ist (s. Raumakustik)
- wo man beim Musikhören sitzt (s. Raumakustik)
- und so weiter
- Hier trennt sich die Spreu vom Weizen:
- die einen geben sich schnell mit dem Neuen, Anderen zufrieden, sind stolz auf sich und ihr Werk und verteidigen es mit Zehen und Klauen gegen Unwissende und Ungläubige. Diese Gruppe von Leuten braucht keine Hilfe, denn sie sind ja der Nabel der Welt . . .
- die anderen sind skeptisch, wollen die Unterschiede verstehen, die Andersartigkeit quantifizieren und das Werk sukzessive verbessern. Diese Gruppe der Zweifler hat nun die schwere Aufgabe vor sich, sich einen Beurteilungsmassstab zu erarbeiten, damit verlässlich zwischen besser und schlechter unterschieden werden kann.
Der Beurteilungsmassstab
Zunächst muss festgelegt werden, welche Musikaufnahme - technisch gesehen - "gut" aufgenommen ist und wie sie von einer "anerkannt guten Anlage" in einem "günstig gestalteten Hörraum" wiedergegeben werden muss.
Allein dies ist ein langwieriger Prozess. Dabei spielt natürlich auch der jeweilige Musikgeschmack und andere klangliche Präferenzen eine Rolle, denn nicht jeder Mensch hört Musik auf die gleiche Art und Weise: manche bevorzugen einen vollen, warmen Klang, andere wieder brilliante Höhen oder klare Mitten. Manchen sind die dynamischen Aspekte der Musikwidergabe oder das "Timing" wichtiger und so weiter. Daher sollte man sich nach und nach eine Sammlung von - technisch gesehen - "gut aufgenommenen" Musiktiteln zusammenstellen, die die kritischen Belange des persönlichen Musikhörens abdecken. Besonders leicht fällt einem z.B. die Beurteilung von Stimmen, da man dies seit seinen ersten Lebensmonaten täglich trainiert.
Durch die Beschränkung auf diese Auswahl ist man nach kurzer Zeit in der Lage eine Wiedergabekette sicher beurteilen zu können. Allerdings können dabei nicht alle Teilaspekte berücksichtigt werden. Eine detailliertere Erörterung des Themas findet sich auf der Seite Problematik von Musikkonserven.
Ich verwende zur Zeit z.B. folgende Musikstücke zur Beurteilung der Wiedergabequalität, wobei ich mehr auf die Klangbalance achte und eher einen vollen, warmen Klang bevorzuge:
Nr | Gruppe | Titel | CD | Jahr | Worauf achten |
1 | Bobby McFerrin | Blackbird | The Voice | 1984 | Glaubwürdige Stimme bzw. Geräusche (z.B. Luftholen, Klatschen) |
2 | Jefferey Smith | Eleanor Rigby | A Little Sweeter | 1997 | Sehr (charakter-) volle Stimme, Klavier dumpf im Hintergrund |
3 | The King's Singers | Back In The U.S.S.R. | The Beatles Collection | 1986 | Vokalbass nicht zu dominant, einzelne Einwürfe leicht zu orten |
4 | Vocaleros | Superstition | Vocaleros | 1997 | Da muss die Post abgehen, jeder einzelne Einwurf muss einfach zu orten sein |
5 | Brent Lewis | Mumbo Jumbo | Pulse . . . Where The Rhythm Begins | 1995 | Sehr breite räumliche Staffelung, einfach zu orten |
6 | Talking Horns | Johann, der Tango kommt | Fisch im Wasser | * | Nur mit 2 Mikros aufgenommen |
7 | The Oscar Peterson Trio | You Look Good To Me | We Get Requests | 1965 | Satter walking Bass |
8 | Oscar Peterson | Dream Of You | Reunion Blues | 1972 | Bass ganz außen links, Schlagzeug dezent, Vibraphon SEHR breit (einzelne Töne müssen nachverfolgbar sein, auch in der Mitte), dumpfes Klavier darf nicht zugematscht sein |
9 | Melissa Walker | I'm A Fool To Want You | May I Feel | 1997 | Sehr räumlich ohne allzu viel "Pseudo"-Hall |
10 | Jennifer Warnes | Somewhere, Somebody | The Hunter | 1992 | Sehr breiter Pseudoraum, beide Sänger mittig (achten sie auf deren räumliches Wechselspiel) |
11 | Keb' Mo' | Just Like You | Just Like You | 1996 | Sehr erdig, die (Mit-)sänger müssen auseinandergehalten werden |
12 | Holly Cole | Jersey Girl | Temptation | 1995 | Sehr dicker Bass, alle Instrumente sehr dezent, Stimme voll, eher geknurrt |
13 | Mighty Sam McClain | Too Proud | Give It Up For Love | 1993 | Sehr spitzes Schlagzeug, auch bei lauten Passagen nicht nervig (Sänger bleibt unbeirrt) |
14 | Marla Glen | Personal | This Is Marla Glen | 1993 | Kehlige, dunkle Stimme, fetzige Trompeten, macht Lust auf mehr |
15 | Hugh Massekela | Stimela | Hope | * | Fortestellen müssen mit Druck kommen, realistische Stimme |
16 | Yello | Tied Up | Flag | 1988 | Das beste Stück der Schweizer Soundtüftler. Da muss die Post abgehen |
Die Modifikationen
Erst wenn man sich einen vernünftigen Beurteilungsmassstab erarbeitet hat macht es Sinn über Modifikationen nachzudenken. Da wären z.B.:
- Änderung der Frequenzweiche
- Austausch eines Chassis (z.B. Hochtöner) mit notwendiger Änderung der Frequenzweiche
- Aufwändigere Bauteile der Frequenzweiche
- Andere Schallführung im Bassbereich (z.B. Bassreflex statt geschlossen) bzw. größeres/kleineres Gehäuse
- Aufwändigere Ausführung des Gehäuses (Versteifung/Bedämpfung)
Wichtig bei diesen Modifikation ist, jeweils nur eine der Boxen zu modifizieren und die andere als Referenz zu erhalten (zu Anfang ist allerdings sicher zu stellen, dass beide Boxen im "Ausgangszustand" wirklich identisch sind!). So kann man immer wieder Vorher-/Nachher-Vergleiche anstellen um die Wirksamkeit der Modifikation beurteilen zu können. Das akustische Gedächtnis des Menschen ist nämlich sehr schlecht ausgeprägt und hält nur wenige Minuten an.
Diese Modifikationen erfordern jedoch theoretische Grundkenntnisse der jeweiligen Bereiche (z.B. Frequenzweichen bzw. Gehäuseauslegung), die man sich durch das Studium von Fachbüchern oder im Internet erarbeiten kann.
Alles in allem ist dies eine durchaus zeitaufwändige Geschichte. Diese Phase ist jedoch notwendig, wenn man beim Entwurf des eigenen Lautsprechersystems erfolgreich sein will. Daher meine Devise:
- Mit einem kleinen, überschaubaren Projekt anfangen, durch Modifikationen lernen und erst dann ein größeres Projekt starten. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!
Messtechnik
Generell erfolgt die Entwicklung in mehreren Schritten:
- Grober Entwurf (welche Chassis sind vielversprechend, wie groß wird das Gehäuse etc.)
- Detailentwurf (wie werden die Chassis auf der Schallwand angeordnet, wie ist das grobe Layout der Frequenzweiche)
- Feintuning (wie wird die Weiche endgültig ausgelegt)
Während die ersten beiden Schritte noch am Schreibtisch erfolgen können ist für den 3. Schritt das ständige Musikhören, Verändern, wieder hören, verändern etc. nötig. Dieser 3. Schritt besteht eigentlich aus einer Schleife, die mehrmals durchlaufen wird, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist.
Hierbei ist es wichtig, dass man zu Beginn nicht die Richtung verliert und sich verläuft. Erst wenn man einen verlässlichen Ausgangspunkt kann die weitere Optimierung von Erfolg gekrönt werden. Beim schnellen Finden dieses verlässlichen Ausgangspunktes kann - meiner Meinung nach - die Messtechnik behilflich sein und damit den gesamten Entwicklungsprozess beschleunigen.
Zumindest bis heute kann die Messtechnik allerdings nicht das Hörerlebnis in allen Einzelheiten beschreiben, sodass schlussendlich immer der subjektive Eindruck wichtiger als das objektive Messergebnis sein wird.
Ganz wesentlich bei der Frage "Messtechnik - ja oder nein" ist natürlich auch der Kostenaspekt. Wer will schon 500 EUR für ein Messsystem ausgeben, wenn er ein Lautsprechersystem für 300 EUR entwickeln will? Daher sind für den Hobbyisten preiswerte Messsysteme gefragt. Fast alle erhältlichen Systeme basieren heutzutage auf einem PC mit (eingebauter) Soundkarte. Obwohl die Soundkarten und die - notgedrungen preiswerten - Mikrofone nicht ganz fehlerfrei sind reichen sie doch für das Finden eines verlässlichen Ausgangspunktes für die weitere subjektive Optimierung häufig aus, zumal sich Frequenzgangfehler (zumindest der Soundkarte) häufig kompensieren lassen. Schlimmer sieht es da schon mit den Frequenzgangfehlern der Mikrofone aus, da individuelle Kalibrierprotokolle in der Hobby-Preisklasse unter 100 EUR nicht machbar sind und Streuungen im Bereich von +/- 3 dB üblich sind.
Übersicht von sehr preiswerten Messsystemen (alphabetisch geordnet):
Name | Bermerkung |
AudioTester V2.0 |
Win 9X, 25 EUR, sehr leistungsfähig aber nicht ganz einfach (Stereoeingänge nötig) |
HobbyBox V3.0 |
Win 9X, alte Version 48 EUR, nicht ganz einfach |
Praxis |
Win 9X, limitierte Version gratis, auch für Car-HiFi |
SB_OCT |
DOS, 20 EUR, gut für Raumakustik, Bauvorschlag für Messmikro |
SpeakerWorkshop |
Win 9X, Freeware, nicht ganz einfach |
WaveTools |
Win 3X, Freeware, nicht für Raumakustik, Daten über Clipboard zu EXCEL |